Buchpräsentation

Das Überleben überleben

Donnerstag, 1. Juni 2023, 19:00
Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien

Globale Krisen, Kriege und Pandemie führen uns gegenwärtig sowohl die Fragilität des körperlichen Lebens wie auch der sozialen Mitwelt, ihrer Strukturen und kultureller Praktiken vor Augen. Gerhard Richters Essay Das Überleben überleben erkundet davon ausgehend die philosophischen Potenziale der Figur des „Überlebens“. Durch einen historischen Parcours, der von Nietzsche bis aktuell zu Jean-Luc Nancy oder Werner Hamacher reicht, geht Richter den vielfältigen Implikationen nach, die das Überleben – zwischen Fortleben, gesteigertem Leben und auf Künftiges hin leben – haben kann.

Gerhard Richter, Germanist und Komparatist, Brown University, Providence, Rhode Island / USA
Moderation: Matthias Schmidt, Kulturwissenschaftler, Universität Wien

Unser Kooperationspartner wird 30!

WHERE ARE WE NOW? KULTURWISSENSCHAFTLICH ARBEITEN 1993–2043

Die Tagung zum 30-jährigen Jubiläum des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften (IFK) befragt Geschichte und Gegenwart von Paradigmen von Kulturwissenschaft und sondiert kulturwissenschaftliche Arbeitsweisen innerhalb und außerhalb der Universität.

Als das IFK 1993 seine Arbeit aufnahm, zirkulierten Kulturwissenschaft und Cultural Studies im deutschsprachigen Raum als Erneuerungsprogramme der Geistes- und Sozialwissenschaften. Interdisziplinarität und eine Hinwendung zu gesellschaftspolitischen Fragen – etwa von Erinnerungspolitik, dem medialisierten Charakter von Öffentlichkeit, gender und race – machten kulturwissenschaftliche Ansätze hierfür attraktiv. Das Nachdenken über Kultur und ein dezidiert epistemologischer Zugang ermöglichten die Öffnung und Überarbeitung von disziplinären Selbstverständnissen und zogen Forschende und Studierende an, die sich für das kritische Potenzial von Wissenschaft interessierten. Inzwischen hat sich »kulturwissenschaftlich« sowohl als Bezeichnung von Fakultäten als auch als qualifizierende Zusatzbezeichnung für Lehrgänge und Professuren etabliert. Es gibt Zeitschriften und Fachgesellschaften, aber nur wenige Studiengänge und Institute, die Kulturwissenschaft im Singular betreiben.

Die Tagung zum 30-jährigen Bestehen möchte Bilanz ziehen und über die Zukunft von Kulturwissenschaft/en nachdenken. Welche politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Konjunkturen, wie sie Stuart Hall genannt hat, bilden sich in den großen Schwerpunktthemen der vergangenen Jahre und der Gegenwart ab? Etwa in der Erforschung von Erinnerungskulturen und Gedächtnispolitik; im shift von Gender, Ethnizität und Klasse als kultureller Konstruktion zu identity politics; in der Verschiebung von der Trias Technik–Medien–Körper zu Fragen nach Ökologien – Infrastrukturen – Affekten? Welche Rolle spielten und spielen ökonomische Theorien, und auf welche Art und Weise wurden und werden Kolonialität und planetarische Vernetzung – im Umgang auch mit nichtmenschlichen Lebenswelten – verhandelt?

Ein Fokus der Tagung werden neben der Durchmusterung von Paradigmen und Leitbegriffen die Modi des kulturwissenschaftlichen Arbeitens sein. Denn kulturwissenschaftlich gearbeitet wird nicht nur an Universitäten, sondern auch in Redaktionen, in therapeutischen Settings, in Theatern, in Ausstellungshäusern und im Film. Besonders interessieren wir uns für die große Bandbreite an Literaturen, die nicht nur kulturwissenschaftliche Themen behandeln, sondern auch methodische Impulse geben, indem beispielsweise Vielstimmigkeit literarisch durchgeführt wird. Das theoretisch vielfach behandelte Thema der Verwicklung zwischen individuellem Lebensvollzug und gesellschaftlichen Kräften fand einen literarischen Ort in der Autoethnografie, umgekehrt wurden spekulative Ansätze aus der (Science-Fiction-)Literatur in die Kulturwissenschaft/en importiert.

Wie kulturwissenschaftliches Arbeiten 2043 im Detail aussehen wird, können wir nicht wissen, denn die wichtigsten Anregungen kommen immer aus dem Off. Wer hätte zum Beispiel 1993 die disruptive Kraft der Digitalisierung – im positiven wie im negativen Sinn – vorhersehen können? Eine Wissenschaft, die sich als diagonal oder lateral zu gesellschaftspolitischen Konstellationen versteht, kann nicht wissen, welche Aufgaben auf sie warten. Aber eine ehrliche Rückschau und eine polyphone Gegenwartsdiagnose können ihre Zukunftsoffenheit nur stärken.

KONZEPTION: Karin Harrasser (Wien/Linz), Thomas Macho (Wien/Berlin)

Details und Infos


Denn Hélène Cixous’ und Jacques Derridas Texte wenden sich an uns Lesende schon als Übersetzende – 1) Da ist kaum ein Wort, kaum ein Satz oder Satzteil, die an uns nicht die Bitte richteten, sie zunächst vom besonderen, einzigartigen Französisch des*der einen oder des*der anderen Autors*Autorin ins »normale«, geläufige Französische zu übersetzen. Tun wir das, so ergeben sich ungeahnte, oft sehr lustige und manchmal auch tragisch-abgründige Sinntiefen in der philosophischen Literatur Cixous’, in der literarischen Philosophie Derridas und in all den Verbindungen zwischen diesen zwei Textkörpern. 2) Sie wenden sich an uns Lesende auch als die das Lebendige des Lebens in Schrift Übersetzenden, die sie schreibend selbst sind … Und natürlich ist das unübersetzbar – ins Deutsche, zum Beispiel. Aber etwas von der Erfahrung dieser Übersetzungsarbeit wird sich erzählen lassen.

Claudia Simma hat an der Universität Zürich Philosophie und Literatur studiert. Am Centre d’études féminines der Universität Paris VIII hat sie* im Jahr 2000 bei Hélène Cixous über Clarice Lispectors Die Passion nach G. H. promoviert. Sie* ist Agrégée de Lettres Modernes, unterrichtet Literatur am Gymnasium und ist Lehrbeauftragte am Ästhetikdepartement des Centre Parisien d’Etudes critiques sowie am UFR Cinema et Audiovisuel der Sorbonne Nouvelle Paris III. Zu ihren* Veröffentlichungen zählen Artikel über Villon, Flaubert (im Rahmen des Centre de Recherche sur les Images et leurs Relations (CRIR)), Jacques Derrida und Hélène Cixous, deren Manhattan: Schreiben aus der Vorgeschichte (Passagen Verlag 2010) und Montaignes Koffer. Hélène Cixous im Gespräch mit Peter Engelmann (Passagen Verlag 2017) sie* ins Deutsche übertragen hat. Sie* arbeitet zurzeit an einer Publikation über das Verhältnis zur bildenden Kunst in den Texten Jacques Derridas und Hélène Cixous’.