Vortrag und Gespräch

Forschende Séance in einem politischen Archiv

Hilde Krones und die spukende "Generation der Vollendung"

Mit Georg Spitaler
Moderation: Anna Babka

Ort: Fachbereichsbibliothek Germanistik
Datum: 22.5.2024
Zeit: 19h

Die Revolutionäre Sozialistin Hilde Krones wurde als Jugendliche durch das Rote Wien der Jahre 1919–1934 geprägt. Ab 1934 war sie im Widerstand gegen Austrofaschismus und Nationalsozialismus aktiv. Krones war Teil jener Generation, die Otto Bauer, der theoretische Kopf der österreichischen Sozialdemokratie, als „Generation der Vollendung“ bezeichnet hatte, als jene Gruppe junger Parteiangehöriger, die zu ihren Lebzeiten das Ende des Kapitalismus erleben würde.

Dieses in die Zukunft gerichtete Versprechen trug Hilde Krones durch die Zeiten des Terrors und der Verfolgung. Nach Kriegsende 1945 wird sie Nationalratsabgeordnete und Mitglied des SPÖ-Parteivorstands. Drei Jahre nach der Befreiung vom NS-Regime, im Alter von 38 Jahren, setzt sie ihrem Leben ein Ende.

Ihr Nachlass offenbart, wie sehr ihre Pädagogik der Gefühle neben einem starken Hoffnungsbegriff mit Emotionen wie Angst, Schmerz und Enttäuschung verbunden war. Krones‘ Verständnis von „Vollendung“ umfasste dabei nicht nur die große Politik, sondern beinhaltete auch den Anspruch auf gleichberechtigte Liebe.

In seinem in Kürze erscheinenden Buch erzählt Georg Spitaler die Geschichte von Hilde Krones als Biografie in politischen Begriffen und Gefühlen, als forschende Séance, die sich in der Gegenwart auf die Suche nach den spukenden Hoffnungen und lost futures emanzipativer Politik begibt, die in den Trümmern der Geschichte des 20. Jahrhunderts begraben sind.

Georg Spitaler, Politologe und Historiker. Universitätslektor und Forscher am Verein für Geschichte der Arbeiter*innenbewegung (VGA). Zahlreiche Publikationen zu den Themenschwerpunkten Arbeiter*innengeschichte, Politische Theorie und Cultural Studies, Fragen des Politischen im Sport.

Unterstützt von:

aka-Lesekreis

Körperfreundliche Kulturanalyse im ökozidalen Zeitalter

am 14. Juni 2024 , 18.00 Uhr
Ort
wird noch bekannt gegeben.
Anmeldung: kontakt@kulturanalyse.at

Ausgehend von ihrer eigenen Praxis berichtet Caitríona Ní Dhúill von experimentellen Ansätzen in Forschung und Lehre. Philologie trifft auf ökologische Trauer; emanzipatorische Impulse der unvollendeten Geschlechterrevolution kreuzen sich mit Perspektiven aus der Philosophie der Technik; die zunehmende Virtualisierung von Lebenswelten wird einer energetischen Analyse unterzogen. Im Zentrum all dieser Vektoren behauptet sich die bedeutsame pädagogische Begegnung, die es für ein ökozidales Zeitalter neu zu reflektieren und zu gestalten gilt: die von Körpern in Räumen. Gelesen werden Texte von Kathryn Yusoff, Cara Daggett, Hans Jonas und Werner Hamacher.

Caitríona Ní Dhúill hat Germanistik und Musikwissenschaft in Dublin studiert und 2005 mit einer Arbeit über Utopien und Dystopien der literarischen Moderne promoviert. Sie forscht zur neueren deutschen und europäischen Literatur seit 1870, zu Literatur und ökologischem Bewußtsein sowie zur Langsamkeit als wissenschaftliche Methode. Zu ihren neueren Publikationen gehören Anthropocene Austria (2022, hg. mit Nicola Thomas), Imagining Gender in Biographical Fiction (2022, hg. mit Julia Novak) sowie die Monographie Metabiography: Reflecting on Biography (2020). Sie gründete zwei Forschungszentren zu Kultur und Ökologie (Durham 2018, Cork 2020) und leitet seit 2023 die Initiative ‚Rewilding Philologies, Rewilding Pedagogies‘. Seit März 2023 ist sie Professorin für Neuere deutsche Literatur an der Universität Salzburg.

Vorbereitende Lektüre:
Zur Vorbereitung auf den Workshop werden zwei Texte empfohlen, Daggett, Cara. (2018). Petro-masculinity: Fossil Fuels and Authoritarian Desire. Millennium, 47(1), 25-44. https://doi.org/10.1177/0305829818775817 sowie Nigel Clark and Kathryn Yusoff (2018): Queer Fire: Ecology, Combustion and Pyrosexual Desire. Feminist Review,  Volume 118, Issue 1. https://doi.org/10.1057/s41305-018-0101-3. Alle Teilnehmer*innen erhalten die Texte – nach Anmeldung an kontakt@kulturanalyse.at – zugesandt


Denn Hélène Cixous’ und Jacques Derridas Texte wenden sich an uns Lesende schon als Übersetzende – 1) Da ist kaum ein Wort, kaum ein Satz oder Satzteil, die an uns nicht die Bitte richteten, sie zunächst vom besonderen, einzigartigen Französisch des*der einen oder des*der anderen Autors*Autorin ins »normale«, geläufige Französische zu übersetzen. Tun wir das, so ergeben sich ungeahnte, oft sehr lustige und manchmal auch tragisch-abgründige Sinntiefen in der philosophischen Literatur Cixous’, in der literarischen Philosophie Derridas und in all den Verbindungen zwischen diesen zwei Textkörpern. 2) Sie wenden sich an uns Lesende auch als die das Lebendige des Lebens in Schrift Übersetzenden, die sie schreibend selbst sind … Und natürlich ist das unübersetzbar – ins Deutsche, zum Beispiel. Aber etwas von der Erfahrung dieser Übersetzungsarbeit wird sich erzählen lassen.

Claudia Simma hat an der Universität Zürich Philosophie und Literatur studiert. Am Centre d’études féminines der Universität Paris VIII hat sie* im Jahr 2000 bei Hélène Cixous über Clarice Lispectors Die Passion nach G. H. promoviert. Sie* ist Agrégée de Lettres Modernes, unterrichtet Literatur am Gymnasium und ist Lehrbeauftragte am Ästhetikdepartement des Centre Parisien d’Etudes critiques sowie am UFR Cinema et Audiovisuel der Sorbonne Nouvelle Paris III. Zu ihren* Veröffentlichungen zählen Artikel über Villon, Flaubert (im Rahmen des Centre de Recherche sur les Images et leurs Relations (CRIR)), Jacques Derrida und Hélène Cixous, deren Manhattan: Schreiben aus der Vorgeschichte (Passagen Verlag 2010) und Montaignes Koffer. Hélène Cixous im Gespräch mit Peter Engelmann (Passagen Verlag 2017) sie* ins Deutsche übertragen hat. Sie* arbeitet zurzeit an einer Publikation über das Verhältnis zur bildenden Kunst in den Texten Jacques Derridas und Hélène Cixous’.